Donnerstag, 7. August 2008

Smoke on the water, fire in the woods





Nachdem wir die kühne, kühle Küste bei unseren nächtlichen Reißverschlusseskapaden mit Schlafsack und Zelt und den bereits im Post darunter beschriebenen Gänsehauttemperaturen nicht mehr anziehend genug fanden, entschlossen wir uns, den Empfehlungen der Einheimischen zu vertrauen und weiter östlich in den Kontinent vorzudringen. Das an der Pazifikküste gelegene, logischerweise nebelverhangene, im Reiseführer jedoch wärmstens empfohlene Dörfchen Ferndale mit seiner halbvollendet aufpolierten Westernromantik im Rückspiegel zurücklassend, begaben wir uns auf die West-Ost-Verbindung mit der Nummer 36. Und mit dieser ersten bandwurmartigen Beschreibung wurden nicht nur unsere Sätze länger, sondern auch unsere Aufenthaltszeiten in unserem kleinen SUV. Weil wir die Ausläufer der Rocky Mountains auf einer einfachen Landstraße überqueren wollten, versteckten sich hinter einem Zentimeter auf der Karte mal eben 276 Kurven und drei Passhöhen. Irgendwann brachte uns die 36 dann an unser Ziel: Whiskeytown Lake. Der Name dieses Ortes legt nun nahe, dass es sich hier um eine Ansiedlung bekennender Alkoholgenießer handelt, aber unsere Nachfragen konnten selbst bei Einheimischen nur Vermutungen zu Tage fördern. Demnach wurde hier in der Gründerzeit vor mehr als 200 Jahren im Umkreis des Städtchens nach Gold gegraben und zur Entspannung nach der harten Arbeit regelmäßig Whiskey konsumiert. Durch die lange Fahrt ähnlich angeschlagen wie nach einem guten Glas Whiskey, verließen wir mit wackeligen Beinen unser Auto. Bereits nach wenigen Schritten auf dem Weg zur Anmeldung auf dem Oak Bottom Campingplatz klebten unsere T-Shirts am Körper. Als die hinter der Theke versammelten Angestellten uns freudig mitteilten, dass es heute etwas kühler sei, wussten wir sofort: Hier sind wir richtig! Der uns angebotene Zeltplatz mit eigenem Zugang zum wohltemperierten, klaren Wasser, das herrliche Panorama auf grüne Hügelketten sowie die friedliche Stille schienen uns wie die passenden Puzzleteile zu unserem ganz persönlichen Goldfund. Am liebsten hätten wir hier gleich für eine ganze Woche reserviert, waren aber instinktiv etwas zögerlich und bezahlten erst einmal nur für zwei Tage. Das war, wie sich später herausstellen sollte, eine kluge Entscheidung.
Beim Aufbau unseres Zeltes wurde die Stille mit einem Mal vertrieben. Eine Gruppe von sieben Kindern im Alter von drei bis acht Jahren in Begleitung von vier Erwachsenen kamen zu ihren Behausungen zurück, die sich 10 Meter neben und 12 Meter hinter uns befanden. Wir wurden im Land der Indianer von heulenden und schreienden Weißhäuten umzingelt.
Nachdem unser vermeintlicher Goldfund nun augenscheinlich zu einem Teil aus Blei bestand, wollten wir den Amerikanern nacheifern, die fähig sind, aus jeder Lage mit unerschütterlichem Optimismus das Beste zu machen. Wozu gibt es schließlich Ohropax und Walkman? (Dank noch einmal an Sanne und Sabine M.)
Das Einrichten unseres Platzes krönten wir mit einem Bad im See. Mir fielen dabei einige graue Wolken auf, die hinter den im Osten angrenzenden Bergrücken unbeweglich aufragten und allem Anschein nach nicht aus Wasserdampf bestanden. Es gab vor einigen Jahren eine Urlaubsfahrt nach Korsika, da sah ich - sehr zur Belustigung meiner Schwiegermutter - mit jeder Wolke gleich ein Gewitter heraufziehen. Nun schwante mir wieder einmal nichts Gutes, wobei ich im Unterschied zu Korsika dieses Mal Recht behalten sollte. Um fünf Uhr morgens erwachte ich im Halbschlaf und wunderte mich über die Nachbarn, die ihr Lagerfeuer am Abend zuvor nicht gelöscht hatten. (Zur Information: Jeder Zeltplatz hier hat eine Feuerstelle, in der jeden Abend in Wildwestromantik einige Holzscheite verbrannt werden.) Als ich mich dann morgens aus unserem Zelt schälte, waren die grünen Hügel auf der anderen Uferseite hinter dichtem Rauch verschwunden. Die Luft roch verbrannt, die Augen waren verquollen. Unser restlicher Goldklumpen hatte sich über Nacht in schwarzes Pech verwandelt. Als die Kinderfreizeit gegen 10 Uhr auf einem Hausboot davon fuhr, überlegten wir noch, den Rauch einfach den ganzen Tag lang, in der Hoffnung auf Besserung der Situation, auszusitzen und die wieder eingekehrte Stille in vollen Zügen zu genießen. Später wurde uns klar, dass der Rauch unseren Körper bereits vergiftet und sich unsere Antriebskraft so weit verringert hatte, dass wir nur noch dem Gefühl der Trägheit nachgeben wollten. Irgendwie ist es uns dann doch noch gelungen, unser Zelt abzubauen, das bereits bezahlte Geld zurück und die aufkommenden körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Übelkeit mit Medikamenten und viel Trinken in den Griff zu bekommen.
Am Nachmittag haben wir dann unsere schmutzige Wäsche in Redding in einem Waschsaloon gewaschen und zeitgleich einen Einkauf erledigt. (In den großen Supermärkten hier fühlten wir uns anfänglich wie sich vermutlich ein "Ossi" im Herbst 89 im Kadewe fühlen musste). Von Firefightern versuchten wir anschließend die neuesten Neuigkeiten zu erfahren. Ich sollte hier ergänzen, dass die Situation in diesem Jahr eine historische Besonderheit darstellt. Am 25. Juni hatten Gewitterblitze ca 100 Brände in Nordkalifornien entfacht, die etliche Wochen ihr Unwesen trieben und es immer noch tun. Die Firefighter empfahlen uns, Richtung Norden auszuweichen. Als ich einen Streifen blauen Himmels in östlicher Richtung erblickte, an der sich der Lassen Volcanic National Parc befindet, setzten wir alles auf eine Karte und machten uns eigensinnig dorthin auf den Weg. Eine Entscheidung, die uns reichlich Gold bescherte, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Persönliche Schlussbemerkung: Janis, du weißt doch bestimmt, welche Schlange sich da vor dem Feuer davonschleichen will, oder?!

2 Kommentare:

Janis hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Janis hat gesagt…

Ola Amigos
eine wirklich gut und spannend geschriebene Geschichte und klar weiß ich um welche schlange es sich handelt. Ich würde ja auch mal gerne eine in freier wildbahn sehen.Viell spass noch und lasst euch nicht von den schlangen beissen. Verregnete Grüße aus recklinghausen.euer janis