Montag, 30. März 2009

Great Keppel Island - südliches Great Barrier Reef






Insekten summen in die Stille,
schwirren durch schwüle Luft von
Blüte zu Blüte bis mal wieder
Zyklone heranrasen,
das Meer peitschen,
sensible Korallen töten und
warmes Meerwasser milchig trüben.
Schlichte Pflanzen gedeihen nun anstelle
von Kindern im blau gekachelten
Planschbecken eines vor einem Jahr
abgeriegelten Resorts.
1000 Matratzen warten hinter der Absperrung,
abgezogen, voll Sehnsucht auf schwere,
verschwitzte, sonnenverbrannte Körper.
Stockflecken und Staubfäden werden sich bald
dankbar ihrer annehmen.
Büsche und Gräser
verwandeln Wohnanlagen in ein
Szenenbild für Dornröschen.
Sämtliche Wasserspeicher sind ausgetrocknet.
Es tröpfeln nur noch wenige
Touristen hierher,
zumeist schlecht Informierte.
Verlassen auch die Tauchschule.
Es gibt hier nicht mehr viel zu sehen
am einst so berühmten Riff.
Gelassen nehmen wir es hin,
freuen uns an Sonne, Strand, Sternenhimmel,
Rochen, Riffhaien, Reispfanne, Ruhe
und Sonnenuntergang,
lagern feuernd am Strand
und im geräumigen Appartement,
für fünf Tage unser kleines Paradies.

Sydney






Wer auf einer Reise ist, möchte natürlich sicherstellen, dass ihm die schönsten Dinge nicht entgehen und bereitet sich daher mit einem Reiseführer auf die lohnenswerten Ziele vor.
Wer auf einer langen Reise ist, kann sich natürlich nicht auf alle Reiseziele vorbereiten, dies wird dann unterwegs kurz vorher erledigt. Es wird ja behauptet, Pädagogen seien mit dieser Art der Vorbereitung, auch Türschwellendidaktik genannt, sehr gut vertraut.
Wer nun auf einer sehr langen Reise ist, wird nicht immer alle entsprechenden Reiseführer in seinem Rucksack mit sich herum tragen können, so dass durchaus häufig die Reiseführer anderer Reisender herhalten müssen.
Dirk aus München, mit dem wir in Sydney das Vierbettzimmer im Harbour City Hostel teilten, war so nett, uns seinen "Dumont direkt" auszuleihen.
Tja, liebe Freunde, da blieb uns aber die Spucke weg. In diesem Reiseführer erhielten wir nicht nur zusätzliche Informationen über Sydney, uns wurden auch gleich wichtige Details über unsere Heimatstadt mitgeliefert. Zitat: .... Hier (in Sydney) addieren sich die jährlichen Sonnenstunden zu Zahlen, die für mitteleuropäische Verhältnisse utopisch wirken. Es liegt auf der Hand, dass die Bewohner einer Stadt, wo an 300 Tagen das Meer vor der Haustür liegt und zum Schwimmen und Surfen lockt, entspannter und lässiger sind als etwa die Menschen in Recklinghausen und Paderborn, dass hier vielen das Arbeiten schwer, das Leben aber umso leichter fällt. In kaum einer anderen Weltmetropole ist das Freizeit- und Wochenendbewusstsein so ausgeprägt wie hier. Kaum jemand kommt auf die Idee, am Samstag oder Sonntag noch einmal ins Büro zu fahren, ... Zitatende.
Schlagartig wurde uns klar, wo sich all unsere Recklinghäuser Freunde versteckt hielten, die das eine oder andere Mal am Wochenende telefonisch nicht zu erreichen waren.
Dabei brauchen unsere "angespannten" Freunde, wie wir meinen, jetzt kein schlechtes Gewissen zu haben. Der Autor ist doch arg unausgewogen und unterschlägt, dass zu viel Lässigkeit auch schnell nach hinten losgehen kann. Anders können wir uns nicht erklären, dass der deutsche Architekt Harry Seidel mit seinem Bauvorhaben hier so dermaßen auf die Nase fiel. Sechs Hochäuser wurden von ihm geplant, natürlich in Strandnähe und mit Blick auf die Harbour Bridge und dem dahinter liegenden Opernhaus. Da kann ja eigentlich nichts schiefgehen, sollte man meinen, aber anstatt am Wochenende die Entwürfe seinen Kollegen vorzustellen, zu diskutieren und zu überarbeiten, hat sich Harry Seidel wohl mit seinem Surfbrett in die Brandung gestürzt. Nun gut, als das erste Gebäude fertig war (s. 2. Foto, helles Hochhaus unten links), sah es aus wie ein großer, rechteckiger Schweizer Käse. Nicht, dass die Sydneysider keinen Käse mögen, aber das war dann doch des Guten zuviel. Es fand sich niemand, wirklich niemand, der im hässlichsten Gebäude der Stadt wohnen wollte. Der Bauauftrag für die restlichen Gebäude wurde Harry von den Stadtvätern kurzerhand entzogen. Am Ende sah sich die Stadt gezwungen, das Hochhaus zu erwerben und die zum Kauf angebotenen Wohneinheiten als spottbillige Mietwohnungen anzubieten. So lässt es sich in Sydney für 'nen Appel und 'nen Ei sehr günstig wohnen. Die Sache hat nur einen Haken: Die Mietverträge sind auf zehn Jahre festgelegt.
Harry Seidels Desaster lässt sich im Reiseführer nicht nachlesen. Die Geschichte wurde uns auf der Harbour Bridge in 134 m Höhe von unserer Führerin (oder besser: Erlebnispädagogin + Dozentin + Fotografin) vorgetragen.
In den zwei Stunden, in denen Kira und ich auf, in und unter den Stahlträgern dieser wunderschönen, weltgrößten Bogenbrücke herum geturnt sind, hatten wir ausreichend Gelegenheit, den Hauseingang des "Schweizer Käses" zu beobachten. Wir sahen niemanden, wirklich niemanden, in das Haus hinein- oder hinausgehen.
Auf der anderen Seite der Brücke hingegen - dem architektonischen Meisterwerk schlechthin - gingen Massen ein und aus. Auch wir selbst waren vom Opernhaus absolut begeistert und fotografierten es nicht nur aus allen erdenklichen Perspektiven, sondern überzeugten uns auch von der gelungenen Innenarchitektur, indem wir abends im großen Konzertsaal einem Potpourri (danke, liebe Minja, für die orthographische Unterstützung) bekannter Musicalstücke lauschten. Die hochgelobte Akustik konnte unseren Erwartungen mehr als gerecht werden.

Sonntag, 22. März 2009

Toy Story 2






Nachdem wir in Melbourne wieder ein paar schöne Stunden mit unseren Freunden verbracht hatten (besonderen Dank vor allem an Frauke für die unermüdliche Unterstützung!), verließen wir am 12.3.09 die größte Metropole der Südküste in Richtung Sydney. Es war ein kühler, wolkenverhangener Tag und unsere Reiselust hielt sich angesichts der erhofften Strandtage in Grenzen.
Bevor es jedoch losgehen konnte, musste der gemietete Kleinbus von der anderen Seite der Stadt abgeholt werden. Als Kira und ich bei "Wicked Campervan" zu unserem Mietwagen geführt wurden, hüpfte unser Herz vor Freude. "Unser" Bus, mit dem wir zuvor bereits nach Adelaide gefahren waren, hatte sich gegen 800 Konkurrenten durchgesetzt, um ein zweites Mal unser treuer Weggefährte zu werden. Welch ein Zufall! Unsere Stimmung verbesserte sich schlagartig.
Sorento hieß unser erstes Etappenziel, und wir hofften, dass die unzähligen Einwanderer aus Italien nicht nur diesen Ortsnamen, sondern auch Sonne, Hitze, Strand und Dolce Vita aus ihrer Heimat mitgebracht hatten. Wind, Regen und Kälte spülten unsere Hoffnungen tags darauf molto eficiente ins Meer.
So viel steht fest: Die eigene Geschichte holt einen doch immer wieder ein. Wir waren kurzzeitig versucht an der Hafenmauer den Wasserstand zu markieren, auf die gleiche Art, mit der in unserer alten Heimatstadt an die großen Sturmfluten erinnert wird, ließen es aber bleiben, weil wir keine Gummistiefel und keine Regenschirme dabei hatten, um uns vor den herabstürzenden Wassermassen zu schützen.
Nachdem wir kurz davor standen unsere Flüge umzubuchen, um uns in sonnigere Gefilde abzusetzen (selbst der fliegenverseuchte Outbackofen erschien uns attraktiv) sprach uns unsere Freundin Frauke per Telefon Mut zu: "Der Change soll kommen!"
An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass jenes von Frauke angekündigte Ereignis in nahezu jedem small talk an der Süküste eine Erwähnung findet, da das Wetter entweder vom mörderisch heißen Wüstenwind oder dem frostig kalten Luftstrom aus der Antarktis beherrscht wird. Im Sommer gibt es also nur brüllend heiße oder bitter kalte Temperaturen. Gut zu wissen, dass sich einer von beiden Zuständen im Durchschnitt maximal eine Woche halten kann bis sein Gegenspieler mit dem "Change" wieder die Oberhand gewinnt.
Nach drei Tagen konnten wir tatsächlich Fleece und Regenjacke gegen Sonnencreme tauschen.
Dieser ständige Temperaturwechsel scheint auch die Tierwelt kräftig durcheinander zu bringen. Die Kängurus wurden immer zudringlicher (s. Foto) und störten schließlich unsereren Mittagsschlaf.
Wir flohen vor den Tieren und zogen uns an einen menschenleeren Strand zurück, der lediglich einmal für Filmaufnahmen (Der Weiße Hai V) mit Statisten gefüllt wurde. Wir sind nicht weit hinaus geschwommen, denn die Haie sahen verdammt echt aus. Im Gespräch mit der Aufnahmeleitung konnten wir erfahren, dass das Budget für die Strandaufnahmen noch nicht einmal übermäßig strapaziert werden musste. Für ein deftiges Vegemite Sandwich ist ein Australier angeblich zu fast allem bereit.

Montag, 9. März 2009

Back Aussie Outback






Wenn ...
... der einzige entgegenkommende Autofahrer frenetisch winkt,
... der Reifendruck verringert werden muss, damit die kochend heiße, gewellte Schotterpiste die Reifen nicht zum Explodieren bringt,
... der nächste Nachbar 80 km entfernt wohnt,
... ein Ort mit 130 Einwohnern schon als Kleinstadt gilt und 300 km vorher ausgeschildert wird,
... es Orte mit nur 2 Einwohnern gibt,
... Arzt und Postbote mit dem Flugzeug vorbeikommen,
... Kinder über Brief und Internet unterrichtet werden,
... Emus, Esel, Hunde, Pferde, Eidechsen, Kamele, Kängurus, Wallabies, Schlangen und einige andere wilde Tiere den Weg kreuzen,
... ein 9600 km langer Zaun Schafherden vor wilden Hunden (Dingos) beschützt,
... der Farmer seine Rinder aus dem Hubschrauber zählt,
... klitschnasse Wäsche an der frischen Luft nach 30 min trocken ist,
... ein Mensch 5 Liter Wasser täglich trinken kann ohne den geringsten Harndrang zu verspüren,
... das Wasser über hunderte von Kilometern unter der Erde fließt,
... Opalschürfer ihre in die Erde gesprengten Gänge praktischerweise als Wohnraum einrichten, weil es über der Erde einfach zu heiß ist,
... der Niederschlag eines ganzes Jahres an einem einzigen Nachmittag aus schwarzen Wolken brutal auf die Erde herabstürzt,
... das Thermometer innerhalb von Minuten um 20°c fällt,
... Fernsehteams hier Filmszenen drehen, die auf unbewohnten Planeten spielen,
... Hut, Sonnenbrille und Fliegennetz zum besten Freund werden,
... der Nachtschlaf im Freien in der Morgendämmerung um "fly o'clock" unwiderruflich beendet wird,
... ein Schlammloch wie ein erfrischendes Thermalbad erscheint,
... farbige Sandstreifen einer Hügelkette wie ein abstraktes Gemälde erscheinen,
... der größte Monolith der Welt über Jahrmillionen 6 km in die Erdkruste gekippt ist und noch immer 340 Meter über der Erdoberfläche halb von ihm zu sehen sind,
dann,
ja dann,
gibt es dafür nur eine plausible Erklärung:
Du befindest dich im Outback!

Diese weitläufige Gegend, für uns das Herz Australiens, ist so andersartig und aufregend, dass sie für jeden europäischen Touristen eigentlich ein Muss darstellen sollte.
Interessanterweise trafen wir in Alice Springs auf überdurchschnittlich viele junge Deutsche, die im Kampf mit Fliegen, Hitze und Staub wohl nicht so zimperlich sind wie ihre europäischen Nachbarn?

Text und Fotos bezeugen unsere Begeisterung, und in der Tat überwiegt die Freude an unserer Unternehmung, die uns abseits der ausgetretenen Pfade in einem 4 WD durch die Einsamkeit des Outbacks führte. Wir wollen aber im nächsten blog auch einen Blick auf die strapaziösen Momente werfen, die nicht immer nur mit dem Outback selbst zu tun hatten. Viel Vergnügen bei der Lektüre.

Abstecher in das Herz Australiens - Momentaufnahme aus der Fahrgastzelle






Zwei dürfen vorne sitzen, die anderen acht hocken eingeengt und quer zur Fahrtrichtung einander gegenüber.
Blicke wechseln in müde Gesichter und fliegende Landschaften, die bald nichts Anregendes mehr zu bieten haben.
Doch statt Ruhe herrscht wieder mal Kindergartengeschrei.
Der von Aufmerksamkeitssucht getriebene, 26jährige Spaßmacher aus Holland spritzt mit der Wasserflasche in den Ausschnitt des blonden 20jährigen Landesfräuleins, die aufgeregt kreischt und lacht.
Pop und Rock plärren aus der einzigen Fahrgasttür,
die schlecht geölt mit schrillem Quietschen unbedingt zur Kakophonie beitragen muss.
Heiße Luft knallt durch die geöffneten Schiebefenster,
die Sonne brennt, Schweiß klebt auf der schmutzigen Haut,
die Klimaanlage im Armaturenbrett reicht nur für vorne.

Plattgedrückte Pobacken schmerzen wie
lange dauert die Fahrt wieder
ein Schlag in die Wirbelsäule

Der fliegende Holländer macht immer noch den Gockel, seine drei Küken gackern wild Applaus,
pubertäre Exzesse.
3500 km in zehn Tagen auf schlaglöchernden Schotterpisten können sehr lang werden.

Ich schicke meine Gedanken auf Reisen, um dem Käfig der Narren für kurze Zeit zu entkommen.
Als ich innerlich wieder zurückkehre, fällt mein Blick auf die hässliche 39jährige Holländerin.
Warum sitzt sie eigentlich ständig vorne links, sehr bequem, gut gekühlt und mit sichtlichem Spaß bei der Musikauswahl auf dem i-pod? Wird ihr hinten wirklich schlecht und ist das angebliche Hüftleiden echt?
(Später wird sich herausstellen, dass sie nicht nur sehr sportlich, sondern auch eine krankhafte Egomanin ist. Am Ende kommt es deswegen tatsächlich noch zu Handgreiflichkeiten, aber das ist wieder eine andere Geschichte.)

Kira meint: "Wir hätten es schlechter treffen können."
Sie ist kein Küken mehr - welch ein Glück!

P.S. Dem Leser ist sicher aufgefallen, dass im Text häufig von unseren Nachbarn im Westen die Rede ist. Dies ist kein Zufall, denn sie stellten mit sechs Teilnehmern die Mehrheit in unserer Reisegruppe dar, und von der netten Irin lässt sich nur Positives berichten.
Nichts gegen unsere Nachbarn im Westen, aber nach dieser Reise wird das Jahr 1974 von mir noch einmal mit besonderer Genugtuung wahrgenommen. Wann hat Gerd Müller noch einmal das Siegtor zum 2:1 geschossen?