Donnerstag, 30. April 2009
Schatzsuche
„Ich versteh' das nicht. Das GPS-Gerät zeigt Osten in dieser Richtung, aber nach dem Stand der Sonne müsste Osten in dieser Richtung liegen!“ „Vielleicht bringt die Zeitverschiebung in Darwin die Sonne durcheinander!“ „Das teure GPS-Gerät von Jeff wird schon stimmen. Lass mal da längs gehen!“
Wie Slalomläufer wichen wir den dornigen, vertrockneten und teilweise verbrannten Sträuchern aus. Die Sonne stach immer aggressiver vom strahlend blauen Himmel herunter. Vom kargen, mit Felsbrocken und Kieselsteinen übersäten Boden stieg heisse Luft nach oben. Wir befanden uns regelrecht in einem riesigen Schmortopf. Unsere Haut glaenzte feucht, die Kleidung triefte vor Schweiß. Regelmäßige Schlücke aus dem im Rucksack verstauten Wassersack bewahrten uns vor der Dehydrierung.
Nach der bald einsetzenden Erkenntnis, dass dem Stand der Sonne mehr zu vertrauen war als dem GPS-Gerät und dem daraus resultierenden Umweg von geschätzten, anspruchsvollen 2000 Metern, legten wir in der größten Mittagshitze eine längere Pause im Schatten ein.
„Warum tun wir uns das eigentlich an?“
Da saßen wir nun, erschöpft und mit der Aussicht, das geplante Tagesziel nicht zu erreichen. Großartige Abenteurer waren wir, echte Helden!
Ganz kurz überlegten wir, das ganze Vorhaben einfach abzublasen. Aber wie hätten wir dann vor Jeff und Helen dagestanden? Und der Blick in den Spiegel anderntags wäre auch nicht leichter gefallen.
Jeff und Helen hatten wir auf dem Overland Track in Tasmanien kennen gelernt. Auf Jeff hatten wir wohl großen Eindruck gemacht, denn von ihm stammte der Vorschlag, in der Nähe seiner Heimatstadt im Kakadu Nationalpark einen „bushwalk“ zu unternehmen. Jeff ist leitender Angestellter bei Bushfire NT, einer Behörde, die mit dem Management der jährlichen Waldbrände im Norden Australiens beauftragt ist. Durch seine beruflichen Kontakte konnte er eine Wandergenehmigung für uns erwirken, die sonst nur erfahrenen Buschwanderern erteilt wird. Darüber hinaus lieh er uns für den Notfall ein Satelitentelefon, das besagte GPS-Gerät sowie eine geheime Schatzkarte, auf der sämtliche Felsmalereien der Aboriginal People als kleine blaue Punkte eingetragen waren. Diese Karte durften wir weder jemandem zeigen noch davon erzählen, erst recht nicht einem Parkranger. Das ist auch der Grund dafür, dass Jeff und Helen eigentlich ganz andere Namen tragen und dass wir uns ein wenig wie gestrandete Piraten fühlten, eifrig auf der Suche nach dem sagenumwobenen Goldschatz.
Also bissen wir die Zähne zusammen.
Wenig später mussten wir unseren Wassersack auffüllen. Gerade rechtzeitig genug fanden wir ein traumhaft gelegenes Wasserloch, das eine Vertiefung eines kleineren Flusses darstellte und mit fließendem, klaren Wasser gefüllt war. Augenscheinlich hatten sich die hier ansässigen Wasserkrokodile an einen anderen Ort zurück gezogen. Ein Alligator mit 210 cm Länge ist zwar sehr gefährlich, aber ein Kampf mit ihm endet aller Voraussicht nach selten tödlich. Also wagten wir uns schließlich ins Wasser, zuerst kaum vom Ufer weg, dann mit wachsender Zuversicht immer weiter hinaus. Wir waren tatsächlich allein. Das Bad war herrlich erfrischend, das Wasser schmeckte gefiltert ganz annehmbar und das Beste war: Wir fühlten uns gestärkt.
Nun könnte ich noch weiter ausführlich davon erzählen, wie
- wir dem sich windenden Fluss nicht aufwärts gefolgt sind, sondern eine Abkürzung genommen haben, die eine aufregende Kletterpartie mit ein paar kleineren Blessuren zur Folge hatte,
- wir unser Tagesziel noch freudestrahlend im Hellen erreichten,
- uns ein Lagerfeuer unter einem wunderbaren Sternenhimmel für die ganze Quälerei entlohnte,
- uns am nächsten Morgen etliche Felsmalereien in ihren Bann zogen,
- wir zwei andere interessante Buschwanderer aus Australien kennen lernten,
- mich eine Eidechse unter meinem T-Shirt sowie ein schwarzer Stock, der urplötzlich in Bewegung geriet in einen kurzen Schrecken versetzten,
- uns auf den letzten Kilometern zurück zum Auto ein schweres Gewitter durchnässte und
- wir uns schließlich wie die Könige der Wildnis fühlten.
Aber selbst auf einer Reise ist die Zeit manchmal kostbar. Einige Besorgungen müssen noch erledigt werden, die Sonnenmilch ist mal wieder alle und der Magen knurrt.
Heute Abend geht es früh ins Bett. Morgen um 6.15 Uhr werden wir abgeholt zu einem dreitägigen Ausflug hinaus aufs Meer, genauer gesagt zum Great Barrier Reef. Elf Tauchgänge mit herrlichen Korallen und bunten Fischen warten auf uns.
Sie gehören zu den letzten Höhepunkten unserer Reise, deren Ende nun immer schneller auf uns zueilt.
Aber ehrlich gesagt: Wir freuen uns riesig auf unser Zuhause, vor allem auf Familie und Freunde.
Mittwoch, 15. April 2009
Walhaimat
Der größte, bis zu 13m lange Fisch der Welt, Vagabund der Weltmeere, hat seine Walhaimat in den Monaten April, Mai und Juni an der Nordspitze der australischen Westküste. Zur Nahrungsaufnahme kommt er regelmäßig an die Wasseroberfläche. Wenn seine Rückenflosse dabei durchs Wasser pflügt, könnte man spontan an einen gefaehrlichen Weißen Hai denken. Aber erstens ist das extrem breite Maul ausschließlich zur Aufnahme von Kleinstlebewesen, etwa Zooplankton und Krill konzipiert und zweitens wird nur äußerst selten ein einzelner Schwimmer auf dieses wunderbare Lebewesen treffen.
Gestern waren wir gemeinsam mit 64 anderen Leuten, verteilt auf drei Booten und sechs Kleingruppen unterwegs auf der Jagd nach einer Begegnung der besonderen Art. Die Umwelt- und Naturschutzbehörde gibt hierzu bestimmte Regeln vor, etwa dass der Hai nicht berührt werden darf, ein Mindestabstand von drei Metern eingehalten werden muss, nicht vor, über oder unter ihm geschwommen oder getaucht werden darf und nicht mehr als elf Personen gleichzeitig neben ihm unterhalb der Höhe seiner Brustflosse schwimmen dürfen. Klingt kompliziert und kann im Ernstfall auch selten voll und ganz realisiert werden, wie das mit Regeln eben so ist.
Ein Teil der 190 Euro, die der Spaß pro Person kostet, geht an die gleiche Behörde, damit der Einfluss des Tourismus auf den Walhai erforscht und sein Überleben gesichert werden kann.
Der umgekehrte Einfluss des Walhais auf den Tourismus lässt sich leicht daran ablesen, dass hier in Exmouth insgesamt fünf Unternehmen gut davon leben können.
Abenteuerreisende bevorzugen naturgemäß Einsamkeit und Wildnis und stehen dem Massentourismus generell kritisch gegenüber. Wenn man aber weiß, dass der Walhai trotz seines minderwertigen Fleisches andernorts getötet wird, so dass sein Überleben mittlerweile gefährdet erscheint, fällt bereits ein anderes Licht auf die Angelegenheit und das investierte Geld scheint gut angelegt.
Wir hatten großes Glück. An unserem grossen Tag sichtete das Begleitflugzeug direkt nacheinander vier verschiedene Walhaie. Kaum waren wir aus dem Wasser, ging es auch schon gleich wieder los. Die Begegnungen waren jedes Mal ein wenig anders geartet. Normalerweise schwimmt der Walhai schnurstracks geradeaus und die 6 Kleingruppen mit den leitenden Führungsschwimmern wechseln sich gegenseitig ab. Auf diese Weise kommt jede Gruppe ca 5 min in den Genuss der Schwimmbegleitung, ausgestattet mit Neoprenanzug, Taucherbrille, Schnorchel und Flossen. Bis auf den dritten Hai verhielten sich alle übrigen normal, von Unterschieden in der Schwimmgeschwindigkeit und Tauchtiefe mal abgesehen. Der dritte Hai jedoch wechselte ständig seine Richtung, was dazu führte, dass er urplötzlich direkt auf mich zuschwamm, ohne dass ich hätte ausweichen können. Ich steckte meinen Kopf ins Wasser und dieser riesige Fisch zog in Reichweite meiner Hand seelenruhig an mir vorbei. Ich blickte in eines seiner kleinen Augen und hatte das Gefühl, er wolle mir etwas mitteilen. Es war ein magischer Augenblick.
Nach einem unspektakulären Tauchgang, einem leckeren Mittagessen auf dem schaukelnden Boot sowie einem abschließenden Schnorchelerlebnis ging es zurück an Land.
Ein weiterer Höhepunkt unserer Reise, am Ostersonntag auf der Suche nach einem riesigen (H)ei, liegt nun hinter uns und der Abschied vom Unterwegssein in der fremden Welt rückt langsam näher.
Noch schnell ein paar Hinweise zu den Fotos:
Ja, das ist Sabine mit einer Schildkroete, und der Hai auf dem vorletzten Foto ist kein von oben fotografierter Walhai, sondern ein White Tip Reef Shark, der nur sehr selten an netten Menschen herumknabbert - also, keine Sorgen machen, liebste Schwiegermutter -, und auf dem letzten Foto, aufgenommen in einer tollen Vollmondnacht, sieht man neben uns ein "neues" Auto: „Miss Fitty“.
Der alte „Wheely“ ist uns hier in der Nähe, mitten in der sonnenüberfluteten Wildnis und 90 km entfernt von der naechsten Werkstatt liegen geblieben, was neben einigen erhitzten Gemütern auch eine interessante Geschichte mit sich brachte, die wir vielleicht irgendwann, irgendwo erzählen werden.
So, und nun zum Abschluss noch'n Ostergedicht für meine liebste Schwiegermutter:
Ach, du dickes (H)ei
Groß ist dein Körper, grau und hell gepunktet überall
Im Reich der Fische eine Majestät, ein Sonderfall
Seelenruhe, Langsamkeit, Wunder der Natur
Du bist stets ohne Hast dem Plankton auf der Spur
Dein breites Maul ist riesig, deine Augen winzig klein
Viele Menschen hier wollen gern in deiner Nähe sein
Stern des weiten Wassers, lebendes Fossil
Die Münzen für dein Leben erreichen hoffentlich ihr Ziel
Sonntag, 5. April 2009
Wheels keep on turning
Dieser Eintrag ist unserer lieben Tochter Kira gewidmet, die die letzten sieben Wochen mit uns in Australien unterwegs war, davon größtenteils in einem Wicked Campervan. Unser neuer Weggefährte der gleichen Verleihfirma heißt Wheeli und passt gut zu uns. Er hat schon 280 000 Kilometer auf dem Tacho, kommt morgens schlecht in Fahrt und müht sich die Berge rauf, während alle anderen ihn mühelos überholen.
Zwischen Sabine und mir klafft nun eine Lücke auf dem mittleren Sitz, die uns Kiras Abwesenheit immer deutlich vor Augen führt. Kira hatte hier in Australien immer einen großen Hunger auf Sonnenschein. Leider waren ihre ersten und letzten Tage in Sydney von heftigen Regenschauern überschattet.
Liebe Kira, ich hoffe, du wirst jetzt nicht allzu neidisch, aber das Wetter hier an der Westküste ist zur Zeit absolut traumhaft.
Im Gravity Center haben wir einen ganzen Vormittag verbracht und vom 45m hohen, total schraegen Fallturm so einige wassergefuellte Luftballons herunter fallen lassen. Dir haette das sicher auch riesig Spass gemacht. Ein Foto wollte ich hier eigentlich mit hinein stellen. Es zeigt Bine, wie sie sich an den Rand robbt, um den Luftballons auf ihrem Fall hinterher zu blicken. Das war doch schon ganz schoen mutig von ihr, oder?
Dieser Eintrag ist noch einer zweiten Person gewidmet, die nicht nur zu den aufmerksamsten LeserInnen gehört, sondern sich extra für diesen Zweck einen Computer angeschafft hat. Liebste Schwiegermutter, in deinem letzten Kommentar nanntest du mich einen Dichterfürsten. Das schmeichelte mir doch sehr, und ich habe während der Fahrt in der endlosen Weite Westaustraliens, eingeklemmt hinter dem Lenkrad, die Zeit für die Erschaffung eines neuen Werkes genutzt. Enjoy! wie der Australier so gerne sagt.
Standstreifen
Wenn das Känguru am Straßenrand ruht,
weiß man, dass der Weiße ihm nichts Gutes tut.
Ach, das Känguru ist schon bald nicht mehr allein,
denn der Weiße sollte längst im Bettchen sein.
Aber die Fahrt ist lang, lang, lang und im Nu
fallen hinter dem Lenkrad ihm die Äuglein zu.
Die Straße machte uns am Ende gleich,
denken beide traurig dann im Himmelreich.
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